Themen

 

" Nicht wahr, die Leute kommen und sagen: Ist es besser keinen Alkohol zu trinken oder ist es besser Alkohol zu trinken! Ist es besser Vegetarier zu sein oder Fleisch zu essen! Ich sage überhaupt niemals einem Menschen, ob er den Alkoholgenuss unterlassen soll oder ob den Alkohol trinken soll, ob er Pflanzen essen oder Fleisch essen soll, sondern ich sage zu dem Menschen: der Alkohol wirkt so und so. 

Ich stelle ihm einfach dar, wie er wirkt, dann mag er sich entschließen zu trinken oder nicht. Und so mache ich es schließlich auch beim Pflanzen- und Fleischessen. Ich sage: so wirkt das Fleisch, so wirken die Pflanzen. Und die Folge davon ist, dass der Mensch sich selber entschließen kann. Das ist das, was man vor allen Dingen in der Wissenschaft haben muss: Respekt vor der menschlichen Freiheit." (R. Steiner: Ernährung und Bewußtsein. Themen aus dem Gesamtwerk Stuttgart 1994. S. 142f.)

Thema 2

Entwicklung

„Dynamische Ernährungslehre“

Ernährung war durch die Reformbewegung ein aktuelles Thema zu Rudolf Steiners Zeiten. Trotzdem wurde der Ernährungsimpuls erst später durch Vertreter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der anthroposophischen Medizin aufgegriffen. Ehrenfried Pfeiffer beschäftigte sich mit der Nahrungs- und Ernährungsqualität. Der Chemiker Rudolf Hauschka befasste sich mit Ernährungsversuchen, die er in seinem Buch „Ernährungslehre“ beschrieb. Der Arzt Gerhard Schmidt leitete von 1963-1970 die Sektion für Landwirtschaft und Ernährung am Goetheanum und führte u.a. mit Udo Renzenbrink Versuche mit Gerste in der Ernährung durch, um den wenig gebräuchlichen Getreidearten wieder einen Platz in der täglichen Kost zu sichern. 

Gerhard Schmidt legte sein Wissen in den drei Bänden „Dynamische Ernährungslehre“ nieder. Udo Renzenbrink gründete 1970 den Arbeitskreis für Ernährungsforschung in Bad Liebenzell/DE (heute in Bad Vilbel/DE) und erreichte mit seiner intensiven Kurs- und Vortragstätigkeit, dass in den anthroposophischen Institutionen ein Ernährungsbewusstsein entstand und die Getreidekost vermehrt eingeführt wurde. 

Um allen sieben Getreidearten in der Ernährung zu berücksichtigen, entwickelte er eine Kost, an der an jedem Wochentag mit seiner Planetenzugehörigkeit ein bestimmtes Getreide gegessen wird (z.B. Sonntag = Sonne und Weizen). Diese heute durchaus nicht unumstrittene Zuordnung fand sehr großen Anklang und bestimmt den Speiseplan vieler Institutionen und Familien. Ihr Vorteil ist eine rhythmische Ernährung, die vor allem Kindern zugute kommt.

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Am Goetheanum trifft sich der Sektionskreis Ernährung, der die Medizinische Sektion und die Sektion für Landwirtschaft einbezieht sowie im Bereich Ernährung/Forschung Tätige verschiedener Länder. Seit Sommer 2016 wird der Sektionskreis von Frau Dr. Jasmin Peschke, Dipl. Oectrophologin, im Rahmen der neue geschaffenen Koordinationsstelle Ernährung am Goetheanum, organisiert.

Immer wichtiger wird der ganzheitliche Ansatz. Nicht nur Nährstoffe ernähren den Menschen, sondern auch Formen und Farben, Gerüche und Geschmack. Diese Ernährung über die Sinne ergänzt sich mit dem Essen und Trinken und der Atmung erst zu den 3 Formen der Ernährung. Gerade diese Aspekte wurden in den letzten Jahren mehr herausgearbeitet.

Der Arbeitskreis für Ernährungsforschung hat seit 1998 seinen Sitz in Bad Vilbel/DE und befasst sich mit Ernährungsforschung zu Themen wie Säuglingsernährung, Zucker und Hülsenfrüchte. Außerdem finden Kolloquien und Kurse wie zur Nahrungsqualität und dem Einfluss und Wirkung von Kulturpflanzen statt. Leiterin ist die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Petra Kühne. 

Der Arbeitskreis für Ernährungsforschung bietet eine Fortbildung "Anthroposophische Ernährung" in 10 Modulen mit Zertifikat an sowie 3 Fachmodule zur Kinderernährung und -entwicklung.

Näheres auf der homepage www.ak-ernaehrung.de

Ernährung wirkt auf den ganzen Menschen, d.h. auf seinen Körper, seine Vitalität und die seelisch-geistige Verfassung. Daher gab Rudolf Steiner schon in seinen frühen Vorträgen vor über 100 Jahren Ernährungshinweise, nicht nur für den Esoteriker, sondern für alle Menschen. Mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft kam ein Bewusstsein für die Auswahl der Lebensmittel wie Getreide oder Kartoffel und für die Anbauqualität. Damit erfüllt diese Landbaumethode nicht nur einen Dienst an der Erde, sondern die erhaltenen Lebensmittel ergeben für den Menschen eine gesunde Nahrungsgrundlage.

Die anthroposophische Ernährungsweise unterscheidet sich in verschiedenen Aspekten von anderen „alternativen“ Ernährungsformen wie der Vollwerternährung oder "Paleo-Ernährung". 

So hat sie nicht die naturwissenschaftliche Erkenntnisgrundlage, sondern erweitert sie durch eine ganzheitliche Anschauung vom Menschen als ein körperlich-vitales und seelisch-geistiges Wesen. Danach benötigt der Mensch nicht nur Nährstoffe, sondern Impulse für seine Vitalität und seelisch-geistigen Bereiche durch die Nahrung. Es gibt es keine festgelegten Vorschriften zur die Verwendung bestimmter Lebensmittel für den einzelnen Menschen. Dies muss jeder selbst entscheiden.

Die Anthroposophische Ernährung orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen des Menschen, hat also keine Ernährungsvorschriften. Sie entstand am Anfang des 20.Jh. als Erweiterung der naturwissenschaftlichen Ernährungslehre, und aus der Berücksichtigung nicht stofflicher Seinsebenen (Ätherischem, Geistigem). Anthroposophie heißt Weisheit vom Menschen, sie wurde von Rudolf Steiner (1861-1925) begründet. Die anthroposophische Ernährung basiert auf diesem Natur- und Menschenverständnis und ist allen Kulturen offen. Im Detail kann die Praxis der anthroposophischen Ernährung in den einzelnen Ländern und Kulturkreisen anders gestaltet sein.

In der Anthroposophischen Ernährung werden außer Nähr- und Wirkstoffen auch Wachstums- und Reifekräfte (Bilde- und Vitalkräfte) der Lebensmittel als Qualitätsfaktoren mit einbezogen. Daraus leiten sich Ernährungs- und Qualitätsempfehlungen ab. Für die Ernährung sollten die Lebensmittel möglichst aus biologisch-dynamischem Anbau stammen. Bei der Verarbeitung ist es wichtig, dass die hohe landwirtschaftliche Qualität sich fortsetzt und den Bedürfnissen des Menschen entspricht. Die Lebensmittel sollten fair gehandelt werden (fair economy, assoziatives Wirtschaften).

Zudem gibt es Empfehlungen, Rhythmen der Natur (wie Jahreszeiten)  und regionale Produkte einzubeziehen. Aufgrund des anthroposophischen Naturverständnisses werden Wirkungen von Lebensmitteln z.B. von Getreide und Kartoffeln beschrieben, die aber keine generelle Empfehlung für Verwendung oder Weglassen darstellen. Es kann durchaus ein Lebensmittel für einzelne Menschen geeignet sein, während es für andere ungünstig wäre. 

Diese Beurteilung beruht auf dem anthroposophischen Menschenverständnis. Hiernach wird der Mensch nicht nur als körperliches Wesen, sondern mit eigenständigen vitalen, psychischen und geistigen Bereichen gesehen. z.B. eine mögliche Differenzierung nach Konstitutionstypen (Temperamenten) oder die Einbeziehung von Körperrhythmen. 

Freie Nahrungswahl und Eigenverantwortung

Die Anthroposophische Ernährung lässt den Menschen frei in seiner Nahrungswahl, setzt auf Erkenntnis (Aneignung von Ernährungswissen), Wahrnehmung der Essbedürfnisse (innere Zufriedenheit) und eigenverantwortliche Umsetzung (aktives Handeln). Dies erfordert geistiges Interesse und sensible Sinneswahrnehmungen bzw. deren Schulung von Kind an. In der Ernährungspraxis hat sich eine überwiegend ovo-laktovegetabile Ernährung mit wenig oder ohne Fleisch und Fisch bewährt. Als Grundnahrungsmittel werden die Getreidearten bevorzugt. 

Die Sinneswahrnehmungen „Ernährung durch die Sinne“ gelten als wichtige Komponenten der Ernährung. Eine bewusste Esskultur (regelmäßige Mahlzeiten, Ruhe, Essen in Gemeinschaft, gemütliche Tischatmosphäre) wird darüber hinaus als Teil der Anthroposophischen Ernährung verstanden.