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„Man kann sich ohne weiteres den Fall vorstellen, dass die Spezies Mensch ihren Fortschritt auf Kosten der als Persönlichkeiten betrachteten Einzelnen erreicht. Nach spezifisch menschlichen Massstäben wäre ein solcher Fortschritt eher ein Rückschritt zu einem niederen, noch nicht menschlichen Zustand“

Aldous Huxley, in „Gedanken über den Fortschritt“ (1947)

Genetik/ Gentechnologie

Diskurs mit Johannes Wirz

Johannes Wirz, geboren 1955, ist Molekularbiologe und Mitarbeiter am Forschungsinstitut der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum mit Schwerpunkt Bio- und Gentechnologie, Genetik und Ökologie. Er absolvierte das Studium der molekularen Biologie (Bio II) an der Universität Basel. Promotion in molekularer Entwicklungsgenetik über "Immunolocalization, Regulation of Expression and Properties of the Protein of the Antennepedia Gene of Drosophila melanogaster" bei Prof. W. J. Gehring in Basel 1987. Seither wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut am Goetheanum. 1993 Gründung des "International Forum for Genetic Engineering" (Ifgene) zusammen mit John Armstrong, Christine Ballivet, David Heaf und Edith Lammerts van Bueren und Koordinator bis 2003. Seit 1993 Herausgeber der "Elemente der Naturwissenschaft", und seit 2012 im Vorstand der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG) und Mitarbeiter bei "Zukunft säen!". Drei Kinder.

Eines seiner Schwerpunktthemen seiner Arbeit ist Genetik; insbesondere das Verhältnis von Genotyp und Phänotyp. An gentechnisch veränderten Kulturpflanzen wurden außerdem mit morphodynamischen Methoden nicht beabsichtigte Effekte untersucht. Weitere Forschungsprojekte beschäftigten sich mit Nicht-Mendelscher Vererbung beim Gemeinen Greiskraut (Senecio vulgaris) unter Stressbedingungen, dokumentiert durch Morphologie und Entwicklungsdynamik. Ähnliche Phänomene wurden in einem früheren Projekt an der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) untersucht.

Wir versuchen einen Einblick in seine Arbeit zu geben:

Zur Stammzellenforschung

Die Argumentationen zugunsten der Embryonenforschung zeigen grosse Ähnlichkeit zur Debatte über den Anbau gentechnisch veränderter Kulturpflanzen, der von den grossen Saatgutkonzernen und einigen Regierungen als Lösung des Welthungerproblems propagiert wird. Gier hinter der Maske des Wohltäters, hat kürzlich der frühere Umweltminister der Regierung Blair, Michael Meacher, diese Taktik genannt.

Mit statistischen Erhebungen wird einem weisgemacht, dass in den Industrieländern jeder Zweite von uns irgendeinmal von einer Stammzelltherapie profitieren könne. Krebs, Diabetes und praktisch alle degenerative Erkrankungen sollen therapierbar werden. Der Hinweis auf eine „Ethik des Heilens“, mit welchem der freie Zugriff auf menschliche Embryonen begründet wird, kann die wahren Motive des EU-Parlamentes nicht verdecken. Es geht schlicht um die angebliche Sicherung des Wirtschaftstandortes Europa.

Dabei könnte der Erfolg der Therapie mit embryonalen Stammzellen nicht ungewisser sein.

Erste Studien an Tieren und Parkinsonpatienten haben gezeigt, dass embryonale Zellen sich im Gehirn zwar differenzieren, jedoch im Gewebe nicht richtig integriert werden. Darüber hinaus können Stammzellen ihr Potential zur uneingeschränkten Teilung beibehalten und sich folglich zu Tumoren entwickeln. Beide Befunde sind Ausdruck dafür, dass der menschliche Organismus nicht wie ein Zell-Baukasten funktioniert, sondern in seiner Ganzheit durch die Implantation von Stammzellen gestört wird. Experten haben kürzlich an einer Konferenz in den USA den Erfolg der Stammzelltherapie grundlegend in Zweifel gezogen und diese Zellen lediglich als wertvolle Instrumente für eine zukünftige Diagnostik bezeichnet. Die in der Öffentlichkeit geschürten Erwartungen sind abstrakt, oder ihre Erfüllung liegt zumindest in weiter Ferne.

 Heute stehen weltweit bereits siebzig embryonale Stammzelllinien zur Verfügung, mit denen in den nächsten Jahren alle Fragen und Probleme einer Therapie untersucht werden könnten. Es gibt schlicht keinen sachlichen Grund, die Forschung und damit die Vernichtung menschlicher Frühstadien voranzutreiben. Der Hinweis auf die traurige Tatsache, dass in der modernen Reproduktionsmedizin ständig überzählige Embryonen anfallen, für die es keine Verwendung mehr gibt, und welche deshalb auch für Forschungszwecke verwendet werden können, ist nachvollziehbar aber grotesk. Er nimmt nicht nur das Recht auf Leben, sondern spricht den frühesten Stadien der menschlichen Entwicklung die Würde ab, welche aus offensichtlichen Gründen nur von der Gesellschaft verliehen und geschützt werden kann. Die ins Auge gefasste Freigabe von Embryonen zu Forschungszwecken bedeutet ein weiteres Opfer auf dem Altar der Fortschrittsgesellschaft und lässt das Gespür für  „Gebürtigkeit und Sterblichkeit“, ein Ausdruck der von Hannah Ahrendt geprägt worden ist, und, zumindest in meinen Augen, damit auch die Ahnung der spirituellen Wirklichkeit des Menschen zunehmend verschwinden.